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Gastbeitrag: Zusammenhang Patente und Digital Escrow

Dieser Blogbeitrag und die Teile zwei und drei dieses Beitrages sind Gastbeiträge des Patentanwaltes Matthias Winter.

 

I. Einführung

Gewerblicher Rechtsschutz ist für die allermeisten Unternehmen nicht wegzudenken. Genauso verhält es sich mit Escrow bzw. Escrow-Dienstleistungen, die der Wortbedeutung folgend, dort eingesetzt werden, wo eine Sicherheit für eine Transaktion benötigt wird.

Im Folgenden möchte ich die Grundlagen des gewerblichen Rechtsschutzes vorstellen. Dabei werde ich den Fokus auf Patente legen, da diese in Verbindung mit Software- oder Digital-Escrow eine besondere Rolle einnehmen können.

 

A.    Der Begriff »gewerblicher Rechtsschutz«

Der Begriff „gewerblicher Rechtsschutz“ umfasst grundsätzlich alle gewerblichen Schutzrechte, die natürliche oder juristische Personen innehaben können. Das betrifft unter anderem die Rechte an einer Erfindung, im Besonderen Patente und Gebrauchsmuster (engl. Utility Model), aber auch nicht-technische Schutzrechte wie Marken oder Designs. Ferner gibt es auch eine gewisse Überschneidung zum Wettbewerbsrecht, nämlich dann, wenn es beispielsweise um Geschäftsgeheimnisse – in Verbindung mit Erfindungen – oder um Rufausbeutung – im Besonderen in Verbindung mit Marken – geht.
Patente und Gebrauchsmuster schützen technische Erfindungen. Das können sowohl technische Produkte wie Maschinen oder Verbrauchsgüter sein. Aber auch Verfahren, etwa Produktionsverfahren oder Anwendungen von bestimmten Produkten, können geschützt sein.
Marken und Designs schützen hingegen nicht-technische Immaterialgüter. Marken bestehen immer aus einem Zeichen und einem Waren- und Dienstleistungsverzeichnis, das definiert, in welchem Umfang die Verwendung des Zeichens geschützt ist. Die Hauptaufgabe der Marke ist die Herkunftsfunktion, die einer mit dem Zeichen gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung die Herkunft aus einem bestimmten Betrieb zuordnet.
Designs schützen ästhetische Ausgestaltungen von Gegenständen, wie die Form, die Farbe, die Oberflächenbeschaffenheit etc. Auch grafische Oberflächen von Software-Anwendungen oder Websites oder deren Elemente können dem Designschutz zugänglich sein, sofern sie die Schutzrechtserfordernisse erfüllen. Zwischen Marken und Designs gibt es einen kleinen Überlappungsbereich. Wichtig ist jedoch, dass Designs eine maximale Schutzdauer von 25 Jahren haben, wohingegen der Markenschutz theoretisch unendlich lange aufrechterhalten werden kann.
Alle gewerblichen Schutzrechte bieten im Umfang des jeweiligen Schutzumfangs einen Schutz vor Piraterie. Der Markt vieler Branchen ist hart umkämpft. Und jede Investition in Forschung und Entwicklung oder das Image des eigenen Unternehmens mag zwar eine Vormachtstellung versprechen, sie muss allerdings auch finanziert werden. Dementsprechend gestalten Unternehmen die Preise der neu entwickelten Produkte und der angebotenen Dienstleistungen so, dass die Investitionen berücksichtigt werden. Berechtigterweise haben Unternehmen außerdem ein Interesse daran, mit Ihren Produkten und Dienstleistungen einen Gewinn zu erwirtschaften. Das eingenommene Geld besteht daher aus den Summen für die Produktion der Produkte bzw. die Durchführung der Dienstleistung, einem Anteil der Entwicklungsinvestition und dem Gewinn.
Ein Pirat, der eine Erfindung stiehlt oder den Ruf des Unternehmens in unlauterer Weise ausnutzt, hatte die genannten Investitionen nicht und muss lediglich die Herstellungskosten tragen. Den übrigen Betrag kann er als Gewinn verbuchen. Das bedeutet, dass er das Produkt unter dem Preis der eigentlich Berechtigten verkaufen kann und dabei gegebenenfalls sogar mehr Gewinn verbucht.
Mit gewerblichen Schutzrechten können ihre Inhaberinnen gegen diese Piraterie vorgehen, da sie erlauben, die Benutzung eines geschützten Gegenstands zu verbieten. Der Begriff Nutzung ist hier im weitesten Sinne zu verstehen und bezieht sich nicht nur den Verkauf, sondern auch auf das Anbieten, die Produktion sowie die Ein- und Ausfuhr aus dem Schutzgebiet entsprechender Waren und Dienstleistungen. Daher spricht man bei gewerblichen Schutzrechten auch von Verbietungsrechten.

 

B.    Die Bedeutung von Patentrechten

Patente sind Monopolrechte. Mit ihnen erhält die Inhaberin ein, wenngleich zeitlich begrenztes, ausschließliches Recht auf die Erfindung. Das bedeutet, dass die geschützten Erfindungsgegenstände nur von der Inhaberin und der mit ihr verbundenen Unternehmen verwendet werden dürfen. Eine Patentanmelderin geht gewissermaßen mit dem Staat einen Handel ein. Die Erfindung wird veröffentlicht, was dem allgemeinen Fortschritt der Technologie dienen soll. Im Gegenzug erhält sie, die Erfüllung der Erfordernisse der Patentierbarkeit vorausgesetzt, das ausschließliche Verbietungsrecht in Form des Patents, an das der Wettbewerb wie an ein Gesetz gebunden ist.
Natürlich kann eine Erfindung auch geheim gehalten werden, und so eine monopolähnliche Stellung entfalten. Bei manchen Erfindungen ist dies tatsächlich auch sinnvoll, beispielsweise dann, wenn die Benutzung der Erfindung nicht oder nur schwierig nachzuweisen ist. Allerdings können patentrechtlich geschützte Produkte nach dem Erwerb demontiert werden, sodass die darin verborgenen Geheimnisse um die Erfindung gelüftet werden. Dies wird als Reverse-Engineering bezeichnet.
Ein Patent ist jedoch kein Freifahrtschein dafür, eine Erfindung nach Belieben selbst zu verwenden, denn es besteht immer die Möglichkeit, dass ein grundlegender Baustein der eigenen Erfindung oder ein Teil davon mit einem Patent eines Dritten geschützt ist.
Ein Beispiel kann dies leicht verdeutlichen. Nehmen wir an, ein Unternehmen A hat ein Patent für einen Bildschirm mit einer bestimmten Funktion. Die Funktion basiert auf einer Kombination von jeweils für sich bekannten Bauteilen. Eines dieser Bauteile ist jedoch mit einem Patent von Unternehmen B geschützt, sodass B die Benutzung der Bauteile durch A verbieten kann. Würde A ohne Erlaubnis von B die Bauteile verwenden, so wäre dies eine Patentverletzung. An dieser Stelle sei angemerkt, dass der rechtmäßige Erwerb von Komponenten in der Regel auch mit entsprechenden Nutzungsrechten einhergeht. Würde A diese Teile jedoch selbst herstellen, wäre A zur Benutzung nicht berechtigt.
Ein solches Szenario kommt regelmäßig und branchenübergreifend vor. Eine Lösung dafür kann sein, dass sich die Unternehmen gegenseitig Lizenzen erteilen, um die Erfindung des jeweils anderen mit Erlaubnis zu nutzen. In einem solchen Fall spricht man von Kreuzlizenz. Auf der Ebene von großen Konzernen werden auf diese Weise häufig ganze Patent-Portfolios ausgetauscht, die dann mehrere Hundert Patente umfassen. Eine weitere Möglichkeit ist, nach Alternativen zu suchen, um nicht auf die geschützten Grundlagen angewiesen zu sein.
Patente verbessern in der Regel die Position ihrer Inhaberin auf dem Markt. Denn selbst wenn eine Erfindung nur durch die Akzeptanz einer Kreuzlizenz verwendet werden kann, sind all diejenigen Konkurrenten im Nachteil, die keine gangbare alternative Technologie oder die Möglichkeit zum Aushandeln einer Kreuzlizenz besitzen. Diese Unternehmen müssen entweder eine Lizenz für die Erfindung einkaufen, was letztlich die Marge schmälert, oder sind gänzlich von der Teilnahme am Markt mit den betreffenden Produkten ausgeschlossen.

Teil 2 des Beitrages

Teil 3 des Beitrages

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